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„Sie machen es doch genauso“-Technik

Was willst Du? - Du machst es doch genauso! (© Henryk Boeck / Fotolia)

Kontern mit Hinweis auf gleiches Verhalten

Wie ist es doch schön, wie manche Menschen glauben andere mit Vorwürfen angreifen zu müssen, um die Moral hoch zu halten und gegenüber anderen Anwesenden als besser, fairer, gerechter, moralisch und ethisch integrer dazustehen. Da wird zum Beispiel ein arbeitsamer, fleißiger Unternehmer angegriffen, er sei eine „Heuschrecke“, ein Gewinnmaximierer und unmenschlich profitgierig (vgl. Gier).

Was soll man dazu sagen?! – Wie in vielen Fällen hilft auch hier, aus der eigenen Perspektive heraus zu argumentieren und diese / Ihre Perspektive als „eine von mehreren möglichen Sichtweisen“ zu markieren. Das zeugt erst einmal von einer gewissen kommunikativen Kompetenz und Souveränität, denn die meisten Menschen vergessen über ihren vehement vertretenen Standpunkt, dass es für fast alles verschiedene Perspektiven, Sichtweisen und Weltbilder gibt – oder sie glauben zumindest fest daran, dass nur ihre Sichtweise die einzig richtige ist. Wer nun in einer Diskussion nicht nur gleich seine eigene Meinung darlegt, sondern an die Subjektivität individueller Standpunkte (und damit seines eigenen, gleich folgenden Standpunkts) erinnert, macht sich erst einmal glaubwürdig(er).

Zeit gewinnen und etwas Luft aus dem Angriff nehmen

„Da gibt es sicherlich unterschiedliche Ansichten“

Wenn Sie aggressiv mit einem Vorwurf angegriffen werden, können Sie also erst einmal souverän und sachlich auf diesen Angriff eingehen, indem Sie betonen, dass es dafür sicherlich unterschiedliche Sichtweisen gibt. Anschließend geben Sie Ihre Sichtweise wieder und betonen noch einmal, dass das natürlich „nur“ aus Ihrer persönlichen Perspektive heraus argumentiert ist und sie sich sehr wohl bewusst sind, dass auch andere Standpunkte richtig sein können – je nachdem welche Interessen man verfolgt, über welche Hintergrundinformationen man verfügt und welche Werte und Erfahrungen zu einer bestimmten Einschätzung und Sichtweise führen. Mit diesem Konter-Verhalten erreichen Sie schon einmal relativ viel:

  1. Sie nehmen den Angriff / Vorwurf auf und gehen auf zumindest im Prinzip erst einmal auf den anderen ein. (Ignorieren geht leider nicht in jedem Fall…)
  2. Sie versachlichen die Argumentation, indem Sie auf verschiedene, mögliche Sichtweisen hinweisen. (Ein netter Schachzug, denn Sie haben inhaltlich noch gar nicht Stellung bezogen und können noch überlegen / Abstand gewinnen…)
  3. Sie geben dem Angreifer unterschwellig schon einmal Verständnis oder Akzeptanz zurück, weil Sie vermittelt haben, dass auch andere Standpunkte richtig sein können. (Jeder sucht in der Kommunikation (Ein-)Verständnis vom anderen. Und der Angreifer bezieht Ihre Aussage über „auch andere Standpunkte“ natürlich auf seinen Standpunkt…)
  4. Sie legen Ihre Meinung/Sichtweise auf eine Art und Weise dar, die nicht direkt verteidigend / rechtfertigend wirkt. (Wer anfängt, sich in Rechtfertigungen zu verstricken, hat schon verloren…)
  5. Sie suggerieren, dass Sie über „bessere“ Hintergrundinformationen und profundere Erfahrung verfügen. (Sie waren ja auch derjenige, der im Interesse aller darauf hingewiesen hat, dass jeder individuell-subjektive Standpunkte hat und „man“ [ihr Angreifer] das nicht vergessen sollte…)

Gerade der fünfte Punkt ist wichtig und wirkt besonders gut, wenn Sie auch sonst einen guten Ruf, eine hohe Position und/oder eine selbstsichere Ausstrahlung haben. Denn: Auf der Sachebene haben Sie nichts anderes geäußert, als dass unterschiedliche persönliche Interessen, Hintergrundinformationen und Erfahrungen zu unterschiedlichen Sichtweisen, Meinungen und Standpunkten führen können. Wenn Sie aber generell bereits einen Habitus des Souveränen, Überlegenen o.ä. haben und entsprechend selbstsicher wirken, schwinkt in dem neutral-sachlich vorgetragenen Konter eine Art überlegene „Erklärung“ mit. Sie antworten souverän und väterlich-gutmütig, dass Sie schon verstehen, dass der andere da einen gewissen Standpunkt hat, man aber mit etwas mehr (noch besser: genauerer) Hintergrundinformation wahrscheinlich zu einer anderen Meinung kommt :-). Aber natürlich verstehen Sie, dass der andere in gewisser Weise zu seinem aktuellen Standpunkt gekommen ist… (Vorsicht: Das wirkt mit Sicherheit arrogant auf andere und Sie müssen für sich entscheiden, inwieweit Arroganz, Selbstbewusstsein und Souveränität für Sie zusammenhängen und was das für Sie bedeutet; siehe auch Hochmut.)

Und jetzt kontern…

„Wenn es darauf ankommt, würden Sie doch genauso…“

Doch nun geht Ihr eigentlicher Konter erst recht los: Nachdem Sie souverän den Angriff versachlicht haben und gutmütig das Vorhandensein mehrerer, möglicher Sichtweisen in das Bewusstsein der Anwesenden gerückt haben, können Sie den Ball nun zurückschießen. Versuchen Sie jetzt, den Angreifer am eigenen Schopfe zu packen und darauf hinzuweisen, dass er im Endeffekt, „wenn es drauf ankommt“ (das ist eine schöne Formulierung, da sie hypothetisch und unterstellend wirkt), genauso handelt oder handeln wird.

Im Ausgangsbeispiel des Außenstehenden, der einen anderen als „Heuschrecke“ oder Rendite-maximierenden Unmensch anprangert, genügt es für den Angegriffenen deutlich zu machen, dass der andere ja letztlich auch in einer Weise handelt, „die seinen Interessen am besten nachkommt“. Legen Sie dar, dass der andere ja aus verschiedenen Handlungsmöglichkeiten in der Regel auch die auswählt, die für ihn den größten Nutzen ermöglicht. – Dieses Argument kann kaum jemand abstreiten, denn es gilt inzwischen als erwiesen, dass Menschen „im Großen und Ganzen“ (auch eine herrliche Formulierung!) zu ihrem eigenen Nutzen handeln (wie auch immer dieser Nutzen aussieht; er muss ja nicht zwangsläufig kurzfristig und finanziell sein, sondern ergibt sich aus den individuellen Werten).

Den Spiegel vorhalten

„Sie machen es doch genauso! Was soll der Vorwurf?!“

Nun stellt sich zum Beispiel heraus, dass der o.g. Angreifer selbst gern an der Börse investiert und hin- und wieder auch mit risikobehafteteren Titeln spekuliert. Ihre Reaktion: „Das ist doch genau das gleiche! Sie versuchen auch, Ihre Rendite zu optimieren, indem Sie dort investieren, wo Sie die höchsten Gewinnchancen sehen…“ – Das ist natürlich nur eines von vielen möglichen Beispielen. Wichtig ist das Prinzip: Sie müssen dem Angreifer zeigen, dass er im gleichen oder ähnlichen Kontexten genauso handeln würde. Sobald Ihnen das gelingt und Sie das auch vor anderen Anwesenden glaubhaft machen können, haben Sie gewonnen. Denn: Ein Angriff perlt an Ihnen ab, wenn der Angreifer selbst genauso handelt oder handeln würde. In diesem Fall können Sie den Angreifer einer gewissen Doppelmoral bezichtigen: „Sie machen es doch genauso! Was soll der Vorwurf?!“ – Der Angreifer hat sich unglaubwürdig gemacht und wird es sich beim nächsten Mal überlegen, ob er andere mit Vorwürfen angreift, mit denen man ihn direkt oder indirekt auch konfrontieren könnte.

Zusammenfassung

  • Oft wollen sich Angreifer als „moralisch“ besser darstellen als den Angegriffenen.
  • Versuchen Sie als Betroffener in einem solchen Fall darzulegen, dass der andere in gleicher Situation potentiell ähnlich handeln würde.
  • Gewinnen Sie vor der konkreten Replik etwas Zeit, indem Sie erst einmal gutmütig darauf hinweisen, dass jeder Standpunkt ja in gewisser Weise subjektiv ist, dass es oft verschiedene Sichtweise für den gleichen Sachverhalt gibt etc. pp. – zeigen Sie, dass der Angreifer mit seiner besonders vehement vorgetragenen Kritik in gewisser Weise vielleicht etwas „einfältig“ bzw. „einseitig“ ist, vielleicht weniger absolute Aussagen zutreffender wäre etc.

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