Fehleinschätzung der Kompetenz und Inkompetenz bei sich und anderen
„Unwissenheit erzeugt viel häufiger Selbstvertrauen als Wissen“ – Diese Erkenntnis stammt von dem berühmten Evolutionsforscher Charles Darwin. Schon damals stieß man auf das allseits bekannte Phänomen, dass inkompetente Menschen dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Darwin beließ es allerdings bei der Benennung des Problems und stellte keine weiteren Forschungen zu dieser Thematik an. Ansonsten hieße der Dunning-Kruger-Effekt heute wohl Charles-Darwin-Effekt. Doch es waren die beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger, die im Jahr 1999 diesem Effekt einen Namen gaben und mit ihrer Forschung zum Thema Kompetenz und Selbstwahrnehmung auf großes öffentliches Interesse stießen. Sie entwickelten eine Theorie, die uns verstehen lässt, warum unfähige Menschen oft besonders beratungsresistent sind und sich ihrer mangelhaften Fähigkeiten nicht bewusst werden können.
Warum haben unfähige Menschen oft eine falsche Selbstwahrnehmung?
Die berühmte Dunning Kruger Effekt Studie
Was die Einschätzung der eigenen Kompetenz betrifft, stießen Dunning und Kruger auf einige interessante Phänomene. Sie konnten im Rahmen ihrer Forschung einerseits Darwins berühmtes Zitat bestätigen und belegten, dass inkompetente Menschen tatsächlich ihr eigenes Können oft überschätzen. Denn um unsere eigene Kompetenz richtig einzuschätzen, werden die gleichen Fähigkeiten benötigt, die uns auf einem Gebiet erst richtig gut werden lassen. Oder einfacher gesagt: Nur ein richtig guter Schachspieler kann die Komplexität des Schachspiels ausreichend erfassen, um seine Fähigkeiten treffend einzuschätzen. Dies erklärt auch den im Volksmund gebräuchlichen Begriff des „gefährlichen Halbwissens“. Denn inkompetente Menschen tendieren gleichzeitig dazu, die Fähigkeiten anderer zu unterschätzen (siehe auch unbewusste Kompetenz / unbewusste Inkompetenz). Sie wagen sich an Aufgaben heran oder fordern Gegner heraus, denen sie nicht gewachsen sind. Im Falle des Scheiterns werden dann häufig äußere Umstände für das eigene Versagen verantwortlich gemacht.

Wie verhält es sich bei fähigen Menschen?
Das gegenteilige Verhalten konnten die beiden Sozialpsychologen hingegen bei kompetenten Menschen feststellen. Wenn Menschen auf einem Gebiet eine besondere Begabung besitzen oder sich Fachwissen angeeignet haben, fällt es ihnen sehr leicht, in diesem Bereich gut zu sein. Sie beziehen ihren Erfolg allerdings meist nicht auf ihr eigenes Können, sondern gehen davon aus, dass eine gestellte Aufgabe auch für andere leicht ist (siehe auch: Kausal-/Ursachenzuschreibung). Sie tendieren also dazu, die eigenen Fähigkeiten zu unterschätzen.
Dunning-Kruger Effekt Inkompetenz bei wem?!
Es mag daher auf den ersten Blick paradox anmuten, wenn der Begabte weitaus mehr Respekt vor dem Unterlegenen hat, als dieser für ihn aufbringen kann. Bedenkt man allerdings die psychologischen Begebenheiten, die der Effekt beschreibt, erscheint dies nur allzu logisch. Es ist gleichzeitig auch ein Phänomen, das jedem Menschen im Alltag schon häufiger begegnet ist. Auch deshalb stieß die Forschung zu diesem Thema 1999 wohl auf so große Resonanz. Aber Vorsicht: Je häufiger Sie in Ihrem persönlichen Umfeld auf Belege für den Dunning Kruger Effekt treffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie der Inkompetente sind. Denn nach der beschriebenen Logik stößt der Unfähige weitaus häufiger auf vermeintlich inkompetente Personen als der Fähige.
Welche Belege gibt es für den Dunning-Kruger-Effekt?
- Dunning und Kruger führten Studien durch, bei denen Probanden Aufgaben gestellt wurden.
- Danach wurden die Befragten gebeten, das eigene Abschneiden im Test zu bewerten.
- Sogar die schlechtesten 25 Prozent glaubten, die Fragen überdurchschnittlich gut beantwortet zu haben.
- Auch die besten 25 Prozent hielten sich zwar für überdurchschnittlich, unterschätzten ihre eigenen Fähigkeiten allerdings trotzdem.
- Danach legte man den Befragten die Antworten anderer Teilnehmer vor.
- Verständlicherweise waren die Probanden mit gutem Testergebnis weitaus besser in der Lage, die Fähigkeiten anderer Teilnehmer zu bewerten. Als man sie im Anschluss daran bat, das eigene Abschneiden im Test erneut zu bewerten, konnten sich die besten 25 Prozent viel realistischer einschätzen. Sie korrigierten sich nach oben.
- Den schlechtesten 25 Prozent halfen die Testergebnisse der anderen allerdings nicht dabei, ihre Selbstwahrnehmung zu verbessern. Sie überschätzten sich weiterhin und konnten mit der zusätzlichen Information nichts anfangen.
Dunning Kruger Effekt Beispiele
Einen ähnlichen Sachverhalt beobachtet man auch bzgl. der Einschätzung des Intelligenzquotienten. Auch hier fand man heraus, dass Personen mit niedrigem IQ-Wert ihre geistige Begabung meist überschätzen (vgl. IQ testen). Gleichzeitig können intelligente Menschen zwar die Intelligenz anderer weitaus besser einschätzen, unterschätzen dabei aber die eigene.
Was folgt daraus?
Die Erkenntnisse, die der Dunning-Kruger-Effekt liefert, sind zunächst einmal ernüchternd. Denn sie machen klar, warum es so schwer ist, engstirnige Menschen von etwas zu überzeugen. Es fällt besonders Minderbefähigten nicht leicht, eigene Fehler zu erkennen und gegebenenfalls zu korrigieren. Wer gar nicht erst erkennt, dass er ein Problem hat, kann dieses selbstverständlich auch schlecht lösen. Möchte man an solche Personen mit einer Lösung herantreten, wissen es diese oft besser. Es erscheint daher sinnvoll, es gar nicht erst zu versuchen und sich rauszuhalten. Die fehlende Selbstwahrnehmung könnte nur korrigiert werden, wenn entsprechende Personen sich zusätzliche Kompetenzen aneignen. Dazu sind allerdings gerade die Unfähigen oft nicht bereit. Auf der anderen Seite geht es natürlich im Zweifel beiden Seiten so, dass sie ihr Gegenüber für ein Opfer des Dunning-Kruger-Effekts halten. Um andere als minderbefähigt bewerten zu können, muss man sich letztendlich selbst eine sehr hohe Kompetenz zuschreiben. Und dazu tendieren, laut des beschriebenen Effekts, vor allem die Minderbegabten selbst.
Quellen und weiterführende Links
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