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4.4.4. Mentoring und Coaching (Leseprobe aus dem Buch "Soft Skills für Young Professionals")

Buch: Soft Skills für Young Professionals bei Amazon

Mentoren unterstützen Nachwuchsführungskräfte und überwachen ihre Entwicklung

Das Mentoring ist ein Prozess, in welchem erfahrene Mentoren meist jüngere Personen, so genannte Mentees, aktiv unterstützen und ihre persönliche Entwicklung überwachen. Dabei reicht dieses Mentoring von persönlichen Gesprächen bis zur Integration in höhere Kreise in der Unternehmenshierarchie.

Mentoringprogramme finden zum Teil offiziell von Seiten der Personalabteilung organisiert statt. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen und Weltkonzerne. Vorwiegend aber bilden sich inoffizielle Mentorenverhältnisse.

Mentoring ist gerade in Deutschland eine ernst zu nehmende Aufgabe, weil sie im Gegensatz zu zum Beispiel den USA noch immer vernachlässigt wird. Führungskräfte und potenzielle Leistungsträger suchen seit einigen Jahren immer öfter einen Ausweg aus der mangelnden Unterstützung in der Bundesrepublik durch die Arbeit in anderen Ländern. Auf Grund der schlechten Aussicht auf gezielte Entwicklung und Förderung im Inland wählen auch viele Absolventen lieber den Auslandsaufenthalt. Das heißt in vielen Fällen konkret: die brauchbarsten Leistungsträger fliehen aus Deutschland auf Grund mangelnder Entwicklungsmöglichkeiten. – Damit Ihnen als Führungskraft das nicht passiert und Ihnen Ihre besten Mitarbeiter nicht ins Ausland oder zu anderen Unternehmen abwandern, sollten Sie sich aktiv Ihre Aufgabe als Mentor kümmern.

Faustregel: Ein Mentee pro 200 Mitarbeiter

Als Führungsperson sollten Sie sich je nach Unternehmensgröße mindestens um einen Mentee kümmern. Mentees erfordern Arbeit, aber lange nicht so viel wie die Suche nach kompetenten Nachfolgern oder qualifizierten neuen Mitarbeitern und Führungskräften. Als Faustregel gilt, dass eine Führungsperson pro 200 Mitarbeiter im Unternehmen beziehungsweise Standort einen Mentee haben sollte.

Zwei Rollen des Mentors

Als Mentor übernehmen Sie dabei zwei Rollen: Die erste ist das aktive Coaching. Hier versuchen Sie, zusammen mit dem Mentee Ziele zu definieren und konkrete Kompetenzen für dessen berufliche Laufbahn aufzubauen. Als zweiter großer Block dient der Mentor als Netzwerkarbeiter für den Mentee, d.h. er öffnet dem Mentee Türen in höheren Hierarchieebenen und stellt Kontakte her.

Potentielle Mentees aktiv ansprechen

Haben Sie einen potentiellen Mentee ausgesucht, müssen Sie als angehender Mentor aktiv auf diesen hinzugehen. Junge Mitarbeiter, Auszubildende oder Studenten trauen sich erfahrungsgemäß nicht, direkt eine Führungsperson um längerfristige Unterstützung zu bitten. Es liegt also an Ihnen, sich qualifizierte Mentees zu rekrutieren und zu fördern.

Vorteile und Nutzen für den Mentor

Das schöne an Mentees ist, dass sie nur relativ wenig Zeit in Anspruch nehmen, aber auch viel Mehrwert einbringen können: Sie kosten in der Regel nichts extra, sie sind solidarisch, sie sind dankbar, sie lassen Sie als Mentor als professionellen Manager auftreten, sie tragen Informationen von anderen Bereichen zu Ihnen und sie stellen kritische Fragen. Mentees trauen sich in ihrer Rolle gegen die abteilungsübliche und eventuell betriebsblinde Argumentation zu diskutieren und können so auch gestandenen Managern durchaus neue Erkenntnisse bringen. Durch ein Mentorenverhältnis können außerdem potentielle Leistungsträger gebunden werden und letztlich lockert die Unterhaltung mit Mentees auch den Arbeitsalltag des Managers auf.

Coaching durch den Mentor: Unterstützung beim Ausbau fachlicher und sozialer Kompetenzen

Ein Mentor unterstützt in seiner Coachposition den Mentee in allen Disziplinen der fachlichen und der sozialen Kompetenzerweiterung (siehe auch: soziale Kompetenzen). In beiden Bereichen kann der Mentee durch Berichte und Anweisungen des Mentors von dessen Erfahrungen und Erkenntnissen lernen, Fehler in Vorgehensweisen verhindern und bewährte Herangehensweisen übernehmen.

Überblick über unternehmensinterne Strukturen, Entwicklungen und Zusammenhänge

Dabei erlaubt der Mentor dem Mentee einen transparenten Gesamtüberblick auf zahlreiche unternehmensinterne Strukturen. Als erfahrener Mentor können Sie zum Beispiel durch Ihre Erfahrung Ihrem Mentee die Geschäftsentwicklung oder die Personalpolitik erläutern. Damit können Sie in vielen Bereichen Unsicherheiten, Ungewissheiten oder problematische Situationen des Mentees klären.

Aktive Führung des Mentees oder Anlaufstelle

Im fachlichen Coaching können Sie als Mentor Ihrem Mentee nach einem konkreten Plan Aufgaben und Entwicklungsziele vorgeben und ihn bestimmte Phasen durchlaufen lassen. Sie können ihm jedoch auch nur als Anlaufstelle und Inspiration dienen (vgl. Führungskräftecoaching).

Weiterentwicklung durch einen individuellen Entwicklungsplan

Im ersteren Fall können Sie dem Mentee beispielsweise einen 2-Jahres-Plan vorbereiten, der eine Reihe fachlicher Arbeiten und Projekte vorschlägt, die der Mentee leisten und an denen er mitwirken sollte. Diese konkreten Tätigkeiten können dabei sowohl firmenintern als auch firmenextern sein. Ein solcher Plan kann für einen noch in Ausbildung / Studium befindlichen Mentee lauten:

  1. Im ersten Jahr erste Berufserfahrung (Praktikum) in Deutschland sammeln.
  2. Ein Projekt oder Praktikum in den USA absolvieren.
  3. Parallel eine zweite Fremdsprache perfektionieren.
  4. Ein bestimmtes Microsoft-Certified-Professional-Zertifikat machen.
Anleitung, Strukturierung oder gemeinsame Problemlösung

In der zweiten Form bieten Sie als Mentor Ihrem Mentee nur die Möglichkeit, Sie zu konsultieren, um ihm dann weiter zu helfen. Diese Hilfe kann aus der direkten Zusammenarbeit bei der Problemlösung, der Anleitung zur Problemlösung beziehungsweise auch nur der Strukturierung des Aufgabenfeldes bestehen. Gerade Strukturierungen für Problemstellungen kann der Mentee in der beruflichen Laufbahn immer wieder verwenden – diese dienen für die Zukunft sozusagen als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Denkbar sind zum Beispiel:

  • Vermittlung typischer Argumentationstechniken und Schwerpunkte in bestimmten Sachgebieten.
  • Welche Punkte gehören zu einem gründlichen Projektvorschlag?
  • Mit welchen Argumenten überzeugen Sie Vorgesetzte von einer Idee?
  • In welche Einheiten sollten Sie ein voluminöses IT-Projekt unterteilen?
Der Mentor als Kontaktvermittler

Für sehr fachspezifische Fragen sind Sie als Mentor höchstens Ansprechpartner, um dem Mentee eine qualifizierte Person zur Beantwortung weiterzuempfehlen. Mit Detailarbeit sollte der Mentee seinen Mentor nicht belasten. Dies hat erstens pädagogischen Wert: der Mentee soll sich auch selbstständig Wissen erarbeiten und damit eigene Problemlösungs- und Handlungskompetenz aufbauen. Zweitens wird und muss dadurch der Zeitaufwand des Mentors beschränkt – denn Sie sind als Coach nur ein begleitender Helfer und keine direkte Führungskraft für die täglichen Fachaufgaben des Mentees.

Im Bereich der sozialen Kompetenzen kann der Mentor aus seiner längeren Berufserfahrung beim Mentee Defizite, Optimierungsansätze und Trainingsmöglichkeiten aufzeigen. Dies geht natürlich umso besser, wenn der Mentee direkt bei Ihnen im Projekt oder der Abteilung arbeitet.

Netzwerkhilfen: Zugang zu bestehenden und Förderungen neuer Netzwerke

Eine Führungskraft und ein potentieller Mentor haben in ihrer Karriere in der Regel ein unermessliches Netzwerk aufgebaut. Dieses Netzwerk interner Kollegen und externer Geschäftspartner kann nicht einfach auf den Mentee übertragen werden, aber der Mentor kann es im zugänglich machen. Ein Mentor ist dafür zuständig, dass sein Mentee erstens ein eigenes Netzwerk aufbaut und dass er zweitens eine Vielzahl von Weiterentwicklungsmöglichkeiten hat.

Kontakte herstellen und Empfehlungen aussprechen

Als Mentor können Sie sich Ihren Aufgaben durch zahlreiche Methoden annähern. Als erste und häufigste Art der Netzwerkhilfe ist das so genannte „Türenöffnen“. Dieses Türenöffnen wird häufig von Mentor und Mentee unterschätzt. Das Türenöffnen ist beispielsweise ein Anruf bei einer anderen Person, um diese über die Pläne des Mentees einzuweihen, beispielsweise wenn der Mentee plant, sich bei dieser anderen Person zu bewerben.

Anruf 1: „Ich habe hier einen sehr engagierten jungen Trainee und er ist sehr interessiert im Bereich Finanzen. Ich habe ihm empfohlen sich mal bei Ihnen zu melden“.

Diese scheinbar überflüssige Ankündigung hat beachtliche Wirkung auf das Gegenüber: Sie suggeriert nicht nur eine Empfehlung des Mentees sondern auch die Bitte, ihn zu akzeptieren und ihm zu helfen. Zudem wird der Mentee in das Gespräch der Gesellschaft gerückt. Wenn sich im Ergebnis mehrere Vorgesetzte über einen Mentee unterhalten und ihn kennen ist dies schon ein großer Erfolg des Mentors.

Das Türenöffnen wird so bezeichnet, da es immer noch des Engagements des Mentees bedarf, auch durch die geöffnete Tür zu gehen.

Vermittlung von Mentees für Aufgaben, Projekte und neue Stellen

Der nächste aktive Schritt der Netzwerkhilfe geht weiter als nur das Öffnen von Türen. Dabei bemüht sich der Mentor darum, den Mentee auf eine bestimmte Stelle zu vermitteln, zum Beispiel für ein neues Projekt oder einen ausgeschriebenen Job.

Anruf 2: „Sie haben doch jetzt die Projektgruppe für das neue Großprojekt zu besetzten. Ich würde gern einen meiner Mitarbeiter für die finanzwirtschaftliche Analyse bereitstellen. Ich würde es befürworten, wenn wir auch bei diesem Projekt eng zusammenarbeiten und dieser Mitarbeiter ist sehr gut dafür geeignet.“

Bei solch einer Unterhaltung versuchen Sie als Mentor schon soviel wie möglich für den Mentee zu arrangieren. Eventuell sprechen Sie auch schon direkt operative Punkte an, um dem Deal einen handfesten Hintergrund zu geben. Beispiel:

„Er muss bei mir noch dieses Projekt abschließen und würde dann ab Mitte Januar fachlich Ihnen untergestellt werden.“

Ist ein solches Gespräch erfolgreich abgeschlossen, muss sich der Mentee meist nur noch kurz vorstellen oder bei größerer Entfernung einmal anrufen und alles ist organisiert. Somit können Sie als Mentor Ihrem Mentee aktiv Möglichkeiten verschaffen, an welche dieser möglicherweise alleine nicht gekommen wäre.

Den Mentee in Situationen und Gespräche einbringen

Die dritte Möglichkeit, welche ein Mentor hat um seinen Mentee durch sein Netzwerk zu helfen, ist das Einbringen in Situationen. Dies kann beispielsweise durch eine wiederholte Erwähnung des Namens in bestimmten Kreisen geschehen. Beispiel:

„Eine meiner Mitarbeiterinnen, Frau Moritz, ich hatte schon einmal von ihr erzählt, hat mir ebenfalls berichtet, dass man in dem Prozess viel verbessern könnte.“

Mitunter ist auch ein so genanntes latentes Angebot nutzbringend. Dabei wird wie in Anruf 2 der Mentee empfohlen, dann aber doch zurückbehalten, da man ihn selbst für ein anderes Projekt benötigt. Diese Strategie versucht Ihren Mentee im Gespräch zu halten, andere Führungskräfte auf ihn aufmerksam zu machen und Interesse zu wecken. Gefördert wird dieses Interesse bei anderen Führungskräften durch die fehlende Verfügbarkeit, ganz nach dem Motto „Da gibt es einen sehr kompetenten Trainee, aber ich kann ihn (noch) nicht für meine Abteilung haben“.

Alle drei Wege helfen dem Mentee seinen eigenen Weg effektiv zu bestreiten, da sich ihm durch Ihre Hilfe stets neue herausfordernde und karrierewirksame Chancen auftun.

Den Mentee in möglichst viele Situationen und Veranstaltungen einbinden

Neben der Möglichkeitsakquisition kann Ihr Netzwerk aber auch als Quelle für das Netzwerk Ihres Mentees dienen. Effektivste und angenehmste Möglichkeit ist den Mentee in zahlreichen Angelegenheiten zu integrieren. Bei Abendveranstaltungen oder ganz normalen Meetings wird er einfach mit eingeladen. Als Kommentar reicht:

„Ich hätte Frau Moritz gern dabei. Sie erscheint mir besonders geeignet bald eine Führungsrolle zu spielen und soll so früh wie möglich die erweiterten Argumentationen dieses Bereiches kennen lernen.“

Ist der Mentee augenscheinlich noch nicht in dieser Situation, soll aber trotzdem mit hinzugezogen werden, können Sie ebenfalls sagen

„Sie unterstützt mich zurzeit in einigen Angelegenheiten und ich möchte, dass auch sie den Überblick behält.“

Die Strategie ist es, den Mentee anderen Personen so oft wie möglich zu präsentieren. Probieren Sie stets Ihren Mentee direkt vorzustellen und bei bedarf auffrischen:

„Sie erinnern sich, das ist Frau Moritz, sie assistiert mir direkt bei dem Projekt.“

Unzweifelhaft können Sie als Mentor die Befürchtung haben, dass eine unglückliche Situation oder Verhaltensweise des Mentees auf Sie zurück fällt. Diese Angst kann aber durch Coaching und Forcierung der fachlichen Ausbildung verringert werden. Sie können als Mentor direkten Einfluss auf die soziale und fachliche Kompetenz des Mentees ausüben und sind sogar für diese verantwortlich. Zudem ist anderen Führungskräften sehr wohl klar, dass auch ein Mentee Fehler machen kann und muss – andernfalls bräuchte er keinen Mentor und Coach mehr.

(…)

Beim vorliegenden Text über Mentoring und Coaching sowie die Rollen von Mentor und Mentees handelt es sich um eine Leseprobe aus dem Buch „Soft Skills für Young Professionals“, Kapitel 4. „Gruppenentwicklung“, Unterkapitel 4.4.4. „Mentoring und Coaching“.  Hier zum Buch bei Amazon.

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